Es gibt Bücher, die werden einem mit den Worten „Lies mal. Kann man vielleicht was drüber schreiben.“ in die Hände gedrückt, wobei man, zu dieser Art Zwangslektüre verdonnert, kaum Neigungen verspürt, dies auch tatsächlich zu tun. Es gibt Bücher, die ihren gesamten Inhalt über kein anderes Bedürfnis erwecken als das des sanften Entschlummerns, um den Schlaf der Gerechten zu schlafen. Es gibt aber auch glücklicherweise Bücher, die diese Einstellung innerhalb weniger Seiten zu ändern wissen. Zu diesen raren Vertretern gehört „Ein Dämon zuviel“, der erste Band der dämonischen Kult-Serie von Robert Asprin. Manchem Kenner mag das eine oder andere Buch der Reihe bereits begegnet sein, die amerikanische Originalausgabe stammt immerhin bereits aus dem Jahre 1978. Seit einiger Zeit waren die einzelnen Bände jedoch nur noch spärlich im Handel aufzutreiben, und so darf man einen Dank in Richtung Bastei Lübbe schicken, daß der Verlag sich dazu entschlossen hat, die Serie in der taschengeldfreundlichen Form von Sammelbänden auf den Markt zu werfen (Der erste Band „Dämonenhatz“ enthält neben „Ein Dämon zuviel“ noch „Drachenfutter“ und „Ein Dämon auf Abwegen“).
Robert Asprin hat Humor. Und das ist auch gut so, denn auch wenn er nie die bissige Schärfe und die philosophischen Anstriche von Terry Pratchett erreicht, statt dessen manchmal arg moralinsaure Gefilde betritt, gehört er zu jener seltenen Spezies von Autoren, deren Bücher einfach Laune machen, nicht zuletzt deswegen, weil sie so manches Klischee der Fantasy ad absurdum führen. Wobei angemerkt werden sollte, daß die Fantasyliteratur meiner Ansicht nach ohnehin über zuwenig Humor verfügt. Da sind solche seltenen Ausnahmen eine erfrischende Abwechslung.
Skeeve ist Zauberlehrling. Dazu hat er sich nicht entschlossen, weil er sonderlich begabt oder interessiert ist, sondern weil seine Aktivitäten als Dieb ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt waren und es bei seinem Ausbilder, dem Meistermagiker Garkin, zumindest ein warmes Plätzchen zum Schlafen gibt. Bei der mit reichlich Spezialeffekten dargebotenen Beschwörung eines „mächtigen, grausamen und bösartigen“ Dämons tritt von einem Moment zum anderen auf einmal mehr Aufregung in Skeeves Leben, als dieser sich je gewünscht hätte, denn plötzlich läßt ein Attentäter seinen Meister ins Gras beißen, ohne daß diesen der Hunger plagt. Zwar gelingt es Garkin noch, seinen Mörder zu rösten, dafür aber hat Skeeve ein ganz anderes Problem. Da ist ja schließlich noch der vorhin beschworene grüngeschuppte Dämon, der so gar nicht Skeeves Vorstellungen eines Dämons entspricht. Aahz, so nennt sich die beschworene Erscheinung, entpuppt sich nämlich als Dimensionsreisender, kurz Dämon, Arbeitskollege und alter Stammtischbruder von Garkin. Die beiden hatten eine Art Austauschprogramm laufen, um mit derartigen vermeintlichen Beschwörungen ihre jeweiligen Lehrlinge zu beeindrucken. So weit, so gut, würden sich beide nicht hin und wieder Streiche spielen, um dem anderen eins auszuwischen. Garkin hat den Bogen diesmal so weit überspannt, daß Aahz ihn am liebsten wiedererwecken und noch einmal umbringen möchte, hat Skeeves alter Meister seinen Kollegen und vordem vollendeten Magiker doch seiner Kräfte beraubt. Dadurch kann Aahz nicht mehr in seine Heimatdimension zurückkehren und ist nunmehr auf die Hilfe eines Lehrlings angewiesen, dessen Fähigkeiten gerade einmal ausreichen, um eine Kerze zu entzünden und eine Feder zum Schweben zu bringen. Da sie herausfinden, daß ihnen von Seiten eines größenwahnsinnigen Zauberers ganz andere Schwierigkeiten drohen, entschließen sich Aahz und Skeeve zu einem Meister-Lehrling-Verhältnis, da sie einsehen müssen, daß sie beide aufeinander angewiesen sind. Daß sich dieser Handel nicht ganz so einfach entwickelt, wie Skeeve sich das vorstellt, kann sich der geneigte Leser denken, denn die beiden üben eine geradezu magische Anziehungskraft auf Schwierigkeiten aller Art aus, so daß Skeeve bald auch noch ein Einhorn, einen Babydrachen, dessen gesamtes Vokabular ihm den Namen „Gliep“ verliehen hat, und eine grünhaarige, ungestüme, ehemalige Mörderin, die sich als ehemalige Bett- und Immer-noch-Bekannte von Aahz entpuppt, am Hals hat, die das Chaos praktisch vorprogrammieren...
Wenn Robert Asprin mit dem ersten Band seiner kultigen Reihe eins tut, dann ist es das: Er räumt mit den gängigen Klischees der phantastischen Literatur gründlich auf. Hey, Dämonen sind auch nur Menschen! Im Falle von Aahz ist das zwar eine Type, dessen aufbrausendes Temperament jeden Choleriker neidisch machen würde, doch was soll man von jemandem erwarten, dessen Heimatdimension Perv ist, wo die Bewohner den fragwürdigen Ruf haben, ihre Feinde aufzufressen, Leute zum Spaß zu foltern und Sexualpraktiken auszuüben, die in allen Dimensionen als zweifelhaft gelten? Zumal sich jene Bewohner auch nicht gerade Mühe machen, diesen Gerüchten entgegenzuwirken. Zwar zieht Aahz es wie alle Bewohner dieser Dimension vor, Perfekter genannt zu werden, doch die weitläufige Bezeichnung Perverser trifft es mitunter ganz gut, auch wenn Skeeves neuer Meister außerordentlich allergisch darauf reagiert. Mit Aahz hat Robert Asprin einen Charakter geschaffen, den die meisten anderen Autoren gerade mal als ekliges Feindobjekt verwendet hätten, dessen erster Auftritt gleichbedeutend mit seiner sofortigen Eliminierung ist. Doch gerade hieraus entspringt der Reiz dieses Buches. Der Dämon geht von seinem Temperament her als thermonuklearer Sprengsatz durch; mit seiner Geduld und seiner Fähigkeit zur zwischenmenschlichen/-dämonischen Beziehung jedweder Art hapert es ebenfalls ganz gewaltig und seine Lehrmethoden sind auch eher von befremdlicher Art („Ich werde keinen Lehrling haben, der nicht fliegen kann! Klar?“), die er zumeist in außergewöhnlicher Lautstärke von sich gibt. Sein Selbstbewußtsein und sein Vertrauen in seine Fähigkeiten und die seiner Freunde sind fast ebenso unerschütterlich wie seine Zunge scharf und es gibt kaum eine Situation, aus der er sich nicht allein mit seiner Gerissenheit wieder herauswinden kann. Das macht ihn zwar zu einer äußerst cleveren Person, der jedem zu seinen eigenen Gunsten das Wort im Mund herumdrehen kann, aber auch zu jemanden, der mit seiner bei Bedarf unverhohlen geäußerten Ehrlichkeit und einer Zunge, die so scharf ist wie seine Doppelreihe mörderischer Zähne, seine Mit-Dämonen gehörig vor den Kopf stößt. Seine bloße Präsenz dominiert die Lage und ermöglicht es ihm, stets allen die Schau zu stehlen, alles Eigenschaften, die nicht den dringenden Wunsch erwecken, sich mit ihm anzulegen (Schon weil er ein Perver...äh, Perfekter ist, die allgemein den miesesten Ruf aller Dämonen genießen – und sie genießen ihn wirklich!). Doch auch wenn er es nur schwerlich zeigen kann und es noch seltener tut, so steckt hinter der dicken schuppigen Schale ein weicher Kern. Aahz kann es nicht ertragen, nicht gebraucht zu werden; trotz seiner rauhen Art behütet er Skeeve auf eine Weise, die ans Bemuttern grenzt, und auch wenn er es niemals zugeben würde, so mag er seinen Lehrling doch so sehr, daß er alles für ihn tun und sogar in den Tod gehen würde, um ihn zu schützen. Daß er mit dem entsprechenden Dank nicht umgehen kann und diesen nur unwirsch abwinkt, paßt dazu, schließlich ist er der Meinung, als Ausbilder dazu verpflichtet zu sein. Daß er mit seinem Verhältnis zu Skeeve auch ein wenig seine eigenen vernachlässigten Vaterpflichten nachholen will, wird erst in einem späteren Band deutlich. Was ihn allerdings nicht daran hindert, seinen begriffsstutzigen Lehrling im nächsten Augenblick wieder hingebungsvoll anzubrüllen.
Skeeve hingegen fällt die Rolle des Helden zu. Eigentlich. Denn Skeeve ist alles andere als ein Held, wie man ihn aus anderen Büchern kennt. Skeeve will kein Held sein, er hat auch keinerlei Veranlagungen und erst recht keine Ambitionen dazu. Zwar ist er nicht im eigentlichen Sinne dumm, doch mit einer Begriffsstutzigkeit ausgestattet, die seinem pervischen Ausbilder so manches Mal in den Wahnsinn zu treiben droht. Im Grunde ist Skeeve froh darum, daß es jemanden in seinem Leben gibt, der welterfahrener ist als er, der er aus einer Hinterweltlerdimension stammt, wie Aahz es immer so schön umschreibt, und ihm alle Entscheidungen abnimmt, auch wenn er durchaus zu selbständigem Denken in der Lage ist – was Aahz bei so mancher Gelegenheit allerdings nachdrücklich bestreiten würde. Er ist kein besonders guter Magiker, er ist nicht der hellste Kopf, er neigt zur Feigheit („Ich erwog, in Ohnmacht zu fallen.“), doch anders als sein Lehrmeister besitzt er ein großes Herz, das er nicht verbergen kann, und glaubt schon aus Prinzip an das Gute im Menschen oder Dämonen, weil ihm alle anderen Vorstellungen recht wenig behagen. Mit seiner instinktiven Menschlichkeit wiegt er somit Aahz’ berechnende Kaltblütigkeit auf. Von Natur aus ein unsicherer Angsthase, sind seine hervorstechenden Eigenschaften seine grenzenlose Loyalität (Trotz seiner schwierigen Art ist Aahz für ihn bald nicht nur ein Lehrmeister, sondern so etwas wie ein Ersatzvater und sein bester Freund) und ein übertriebenes Verantwortungsbewußtsein, das ihn in so manche heikle Situation hineinmanövriert. Damit strapaziert er insbesondere die Nerven seines Ausbilders (Wie beim unfreiwilligen Erwerb von Gliep: „Ich habe dir gesagt, du sollst sie anschauen, nicht kaufen!“), erwirbt sich mit dieser naiven Art aber auch das höchste Ansehen bei seinen Freunden.
Die Helden im eigentlichen, altbekannten Sinne gibt es bei Robert Asprin also schon mal gar nicht. Ein grün-geschuppter Dämon mit Klauen, spitzen Zähnen, explosivem Temperament und eklatantem Mangel an Geduld, der aus einer Dimension stammt, vor der alle anderen zittern, und dessen Hauptbeschäftigung darin bestehen, seinen außerordentlichen Geiz und seine Raffgier zu pflegen, einem Übermaß an Flüssignahrung zu frönen („...wir haben Wasser da...“ „Was zum Trinken habe ich gesagt, nicht zum Waschen!“), hinter der holden Weiblichkeit her zu sein scheint – wenn man der Aussage seiner ehemaligen Bettgespielin Glauben schenken darf – und seinen Lehrling bei jeder sich bietender Gelegenheit zusammenfaltet? Ein Teenager mit gutem Willen, aber ohne jeden Durchblick (Was bei einem Mannschaftsspiel besonders deutlich wird: „He, Aahz! Wer ist denn der Typ mit dem gestreiften Kittel?“ „Den laß in Frieden, das ist ein Unparteiischer!“), dessen Feigheit ihn beinahe dauerhaft dazu bewegt, der Einfachheit halber in Ohnmacht zu fallen, der sich Schwierigkeiten am liebsten aus weiter Ferne ansieht, obwohl sein größtes magisches Talent offenbar darin besteht, diese anzuziehen? Asprin reizt es aus, mit bekannten Figuren und Dogmen aus der Fantasy zu spielen und dem Leser auf humorvolle Weise klar zu machen, daß vieles einfach nur Humbug ist. All das, was doch seit so vielen Jahren selbstverständlich ist und ohne jeden Zweifel akzeptiert wird, wird hier gar nicht erst in Frage gestellt, nein, es wird gründlich darüber aufgeklärt und so manches Mißverständnis aus dem Weg geräumt. Teufel sind Täufler und die Imps, die wie Teufel aussehen, sind bloß billige Kopien der Täufler. Alles klar? Und Aahz ist nicht mit Oz verwandt – aber wer um alles in der Welt ist Oz?
Robert Asprin kann es nicht mit dem schwarzen Humor von Terry Pratchett aufnehmen, der wohl als Referenz für jedes humorvolle Fantasybuch stehen muß, aber das ist nicht verwunderlich, denn mit dem Briten kann es schlichtweg keiner aufnehmen. Versucht man sich also nicht gerade an einem unnötigen Vergleich, kann man mit dem Buch einige sehr kurzweilige, amüsante Stunden verbringen, dem noch die manchmal aufdringlichen moralisch-philosophischen Anleihen der späteren Bände abgeht und der dafür um so frischer daherkommt. Ab-seits bekannter Klischees ist es auf jeden Fall, nicht zuletzt, weil es eines der ersten Werke dieser Art war, und allein mancher spitzzüngige Kommentar von Aahz lohnt das Lesen.
Anchecken!
„Hm, Ihr seid doch ein Dämon, nicht wahr?“
„Wie? Ach, so, ja, ich glaube, das könnte man sagen.“
„...warum benehmt Ihr Euch dann nicht wie ein Dämon?“
Robert Asprin „Dämonenhatz“ (mit den Büchern „Ein Dämon zuviel“, „Drachenfutter“, „Ein Dämon auf Abwegen“)
Bastei Lübbe
ISBN 3-404-20489-1
Preis: 8 Euro
Abschließend sei noch gesagt, daß diese drei Bände zumindest für mein Empfinden mit Abstand die besten sind. Vor allen Dingen, je weiter die Romanreihe fortschreitet, verzettelt der Autor sich immer häufiger in einer Fülle von vollkommen überflüssigen Charakteren und einer Unzahl unterschiedlicher Handlungsebenen, bei denen irgendwann nicht mehr durchzublicken ist, wer denn nun der Erzähler ist. Die letzten Bücher habe selbst ich mir nach einigen Enttäuschungen nicht mehr gekauft.